Im Bereich BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) und GCED (Global Citizenship Education) sind die UNESCO-Projektschulen in Deutschland historisch verwurzelte Speicher von Wissen und Erfahrung und hypermoderne Vorreiter zugleich, dies gilt ganz besonders für die zehn Schulen dieses bemerkenswerten Netzwerkes in Schleswig-Holstein. Sie sind auch in Zeiten der Corona-Pandemie BNE-aktiv und digitalisiert vernetzt, das will dieser Beitrag zum ersten BNE-Newsletter in Schleswig-Holstein aufzeigen. Zugleich werden Probleme nicht verschwiegen. Ein Ausblick auf die nächsten sechs Jahre führt in die pädagogische und inhaltliche Zukunft der schleswig-Holsteinischen UNESCO-Projektschulen und deren internationale Partnernetzwerke im gesamten Ostseeraum.
Als 2005 der erste Orientierungsrahmen Globale Entwicklung herausgegeben wurde, der für die UN-Dekade BNE 2005-2014 die Nachhaltigkeitsbildung deutschlandweit prägen und ausformen sollte, boten sich die schleswig-holsteinischen UNESCO-Projektschulen im Rahmen der Koordination durch BEI (Bündnis Eine Welt) an, fächerübergreifende Unterrichtsprojekte und curriculare Einbettungen im Bereich BNE zu erproben und ihre Ergebnisse beizusteuern. Durch Informationsstände und Workshops auf BEI-Veranstaltungen in der Kieler Universität und auf Veranstaltungen der Zukunftsschulen trugen sie ihre Ergebnisse und Erfahrungen in die Breite. Eine Weitergabe der Erfahrungen der einzelnen Schulen untereinander fand auf den halbjährlichen Landesnetzwerktreffen statt, damals einmal jährlich mehrtägig mit Schülerbeteiligung, einmal eintägig ohne Beteiligung der Schülerschaft.
Im selben Zeitraum setzte auch das nationale Schulnetzwerk in der Themenfindung der alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Projekttage Akzente im Bereich BNE, wie diese Aufstellung zeigt:
12. Internationaler Projekttag 2018
Brennpunkt Zukunft? Agenda 2030
11. Internationaler Projekttag 2016
Schau hin! Misch dich ein!
10. Internationaler Projekttag 2014
Welterbe Erde – mach dich stark für VIELFALT!
9. Internationaler Projekttag
Hinterm Tellerrand geht’s weiter
8. Internationaler Projekttag 2010
Unser Handeln – unsere Zukunft
7. Internationaler Projekttag 2008
Nebeneinander – Miteinander – Heimat finden. Wie viel Integration brauchen wir?
6. Internationaler Projekttag 2006
Lebenstraum Sport. fit – friedlich – fair – für Eine Welt
5. Internationaler Projekttag 2004
Lebenselixier Wasser – Probleme, Konflike, Chancen
4. Internationaler Projekttag 2002
Dialog zwischen den Kulturen
3. Internationaler Projekttag 2000
Nachhaltige Entwicklung. Wege zu einer Kultur des Friedens
2. Internationaler Projekttag 1998
50 Jahre Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte
1. Internationaler Projekttag 1996
10 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl
2014 evaluierten die Schleswig-Holsteinischen UNESCO-Projektschulen ihre Arbeit anlässlich einer Schüler-Lehrer-Tagung am Brahmsee und kamen zu folgendem zukunftsbestimmenden Entschluss: Während in der vergangenen Dekade die Umsetzung der nationalen Strategie „vom Projekt zur Struktur“ eher top-down bearbeitet wurde, sollte von nun an keine Tagung mehr ohne die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler auf Augenhöhe stattfinden. Da mit der UNESCO-Schule Flensburg-Weiche eine hochaktive Grundschule im Netzwerk mitarbeitete, stand für alle Beteiligten fest: Lehrkräfte und Schülerschaft jeden Alters sollten gemeinsam Workshops leiten und besuchen und miteinander an Nachhaltigkeitsthemen arbeiten, die sie aus ihren Schulen ins Netzwerk hineinbrachten und als Impulse wieder mitnahmen. Es gelang seitdem mindestens einmal jährlich, eine gemeinschaftliche dreitägige Schüler-Lehrer-Tagung zu organisieren. Leider fand sich keine Stelle im Bildungsministerium, die diese Tagungen finanziell unterstützen konnte, sodass wie schon zuvor die Umweltlotterie BINGO! und Eigenbeiträge der Teilnehmer die Unterbringung finanzierten.
Um den Primat der Partizipation durch Taten zu untermauern, reiste eine gemischte Gruppe von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern schleswig-holsteinischer UNESCO-Projektschulen 2014 nach Paris, um dort das UNESCO-Hauptquartier zu besuchen und vor Ort einen Nachhaltigkeitsworkshop durchzuführen – von Schülern für die Schülerschaft. Diese Fahrt hielten die Beteiligten für inspirierend und ermutigend, weil die UNESCO als Ort erfahrbar wurde, an dem Menschen aus aller Welt an denselben Zielen arbeiten. Es entwickelte sich eine Art „UNESCO-Haltung“. Diese Fahrt wurde 2016 und 2018 mit anderen Workshopthemen wiederholt. 2020 musste sie wegen Corona ausfallen. Die engagierten Jugendlichen und Lehrkräfte, die ihre Reisen bislang selbst bezahlt hatten, erhielten nur Teile der Anzahlungen zurück. Eine Wiederaufnahme dieser Fahrten ist nicht geplant.
2016 erschien in Anlehnung an die SDGs (Sustainable Development Goals) der Agenda 2030 der neue Orientierungsrahmen Globale Entwicklung. Er ist dazu gedacht, BNE in der Primar- und Sekundarstufe I zu verankern und nachhaltige Entwicklung zum Leitbild der Unterrichtsfächer sowie schulischen Aktivitäten zu machen. Als er herauskam, waren die Schülerinnen und Schüler von fünf Schulen des schleswig-holsteinischen UNESCO-Projektschulnetzwerks und ihre Lehrkräfte bereits Teil des CAP: Das Climate-Action-Project, kurz CAP, hat als Initiative der UNESCO begonnen, um die Themen Nachhaltigkeit und Klima in die Schulen zu bringen. Es nahmen über 250 Schulen aus 25 verschiedenen Ländern daran teil, 26 Schulen aus Deutschland. 2021 führte das Land Niedersachsen mit acht Schulen aus Niedersachsen, fünf Schulen aus Schleswig-Holstein und zwei Hamburger Schulen die zweite Projektphase des CAP ein, mit den Schwerpunkten Global Citizenship Education und Whole School Approach. Hier wie an anderen Schulen hatte die durch die Corona-Pandemie beschleunigte digitale Entwicklung der Schulen dazu geführt, dass die erste Tagung am 13. April 2021 in digitaler Form problemlos und ergebnisreich durchgeführt werden konnte.
Parallel zur ersten Phase des CAP unternahmen die zehn schleswig-holsteinischen UNESCO-Projektschulen gemeinsam mit den deutschen UNESCO-Baltic-Sea-Project-Schulen (in deren Netzwerk die meisten UNESCO-Projektschulen Schleswig-Holsteins ohnehin Mitglied sind) etwas Unerhörtes, das einer Revolution gleichkam und das sie ohne die ideelle, finanzielle und bildungspolitische Unterstützung ihres Bildungsministeriums wohl nicht hätten realisieren können: Ein Team von 60 Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften und Schulkoordinationen der schleswig-holsteinischen Schulen bereitete die Fachtagung der UNESCO-Projektschulen in partizipativer Weise vor, gaben ihr den Namen „Global Citizen 2030“ und beschlossen, da diese Tagung des nationalen UNESCO-Projektschulnetzwerks vom 18.-21.9.2018 turnusmäßig in Schleswig-Holstein stattfinden sollte, dass diese Tagung gemeinsam mit den Schulen des gesamten Baltic Sea Project durchgeführt werden sollte.
Es galt, die Deutsche UNESCO-Kommission davon zu überzeugen, dass Jugendliche eine internationale Konferenz mit 330 Gästen organisieren können. Außerdem musste das Planungsteam 100 deutsche Lehrkräfte davon überzeugen, dass es möglich sei, sich vier Tage lang mit Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften anderer Länder über anspruchsvolle Themen auf Englisch zu unterhalten.
Nach zwei Jahren Planung und vielen Organisationstreffen der schleswig-holsteinischen UNESCO-Projektschülerinnen und -Schüler sowie ihrer zu sehr vielen Extra-Arbeitsstunden und häufigem Verzicht bereiten Lehrkräften gelang die Tagung „Global Citizen 2030“ so gut, dass die 30 stets paraten Schülerinnen und Schüler des Conference Office, die vielen Schüler-Lehrer-Workshops, die internationale, junge, fröhliche Atmosphäre zu etwas führten, das wir seitdem den „Schleswig-Holsteiner Weg“ nennen: Flache bzw. keine Hierarchien, Arbeit auf Augenhöhe an gemeinsamen Zielen, partizipative Entscheidungsfindung im Sinne einer gemeinsamen Zukunft.
Parallel zu diesen Entwicklungen hatte die Fridays-For-Future-Bewegung BNE auf die Straße gebracht. Der ministerielle Ansprechpartner für BNE, Martin Jarrath, lud engagierte Menschen jeden Alters und Repräsentanten der Institutionen des schleswig-holsteinischen Bildungs- und Umweltwesens an einen Tisch, darunter auch Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler der UNESCO-Projektschulen, um für den 28.2.2020 den ersten Schüler-Lehrer-Kongress „Schule macht Zukunft – Impulse für ein nachhaltiges Leben“ an der Kieler Universität und parallel an weiteren Orten in ganz Schleswig-Holstein zu planen. Dieses gemischte „Team BNE SH“, wie es sich seit einiger Zeit nennt, plante in unterschiedlichen Zusammensetzungen unter Beteiligung auch der Zukunftsschulen in Schleswig-Holstein weitere Tagungen, so eine digitale Landestagung am 5.6.2020 und mehrere BNE-Regionalkonferenzen, die aufgrund von Corona sämtlich digital bzw. als Mixed Conferences durchgeführt werden mussten. Erneut erwiesen sich Schülerinnen und Schüler von UNESCO-Projektschulen als Impulsgeber und Vernetzungspartner, ob digital oder in Präsenz.
Die UNESCO-Projektschulen haben 2020 auf einer Schüler-Lehrer-Tagung in Lankau beschlossen, die deutschen UNESCO Baltic Sea Project Schulen bis 2026 nicht nur zu unterstützen, sondern mit ihnen für die Dauer der gemeinsamen dänisch-deutschen Generalkoordination des UNESCO Baltic Sea Project zusammenzugehen, um Kräfte zu bündeln und den Weg der „Global Citizen 2030“ von Damp 2018 weiterzugehen.
Es gilt, eine neue Schülergeneration aufzubauen, die in der Lage ist und dafür brennt, Global Citizenship Education zu beleben und an ihren und anderen Schulen des UNESCO Baltic Sea Project einen Whole School Approach im Rahmen der Agenda 2030 anzustoßen. Während der gemeinsamen Generalkoordination vom 1.1.2022 bis zum 31.12.2027 streben die UNESCO-Projektschulen in Schleswig-Holstein danach, das UNESCO Baltic Sea Project für den Ostseeraum mit seinen mehr als 200 Schulen in den neun Ostseeanrainerstaaten zu einem globalen Vorbild für die Zusammenarbeit in einer Weltregion auf Bildungsebene zu entwickeln:
So wollen wir weiterhin zusammenarbeiten!